Yogaschule Tübingen

Rede zum Jubiläum der Yogaschule Tübingen

von Helga Hoenen, einer Freundin und Kollegin von I. Wiltschek

 

Anlässlich der Feier zum 30-jährigen Berufs-Jubiläum und dem 20-jährigen Bestehen der "Yogaschule Tübingen" wurden Ingrid Wiltschek von ehemaligen Schülerinnen und Kolleginnen die unterschiedlichsten Blumen überreicht, die zusammen einen erstaunlich harmonischen Strauß ergaben. Diese Fülle und Vielfalt steht symbolhaft für die Art und Weise, wie sich an dieser Schule der Yoga entwickelt hat und praktiziert wird.

Um dies zu veranschaulichen möchte ich (Helga Hoenen) als langjährige Wegbegleiterin und Mitarbeiterin von Ingrid Wiltschek einiges aus ihrer Jubiläumsrede aufgreifen. Sie begann mit einem ihrer Lieblingsgedichte des spanischen Lyrikers Antonio Machado.

 

„Wanderer, deine Fußabdrücke selbst
sind der Weg, und sonst nichts.

Wanderer, es gibt keinen Weg;
der Weg entsteht beim Gehen.

Beim Gehen entsteht der Weg, und wenn du zurückblickst,
siehst du den Pfad, den du nie mehr betreten wirst müssen.

Wanderer, es gibt keinen Weg.
Nur glitzernde Schaumkronen auf dem Meer.“

 

Diese Zeilen versinnbildlichen anschaulich ihre mehr als 40-jährige Entwicklung als Yogaschülerin und –lehrerin bis heute.

Von Beginn ihrer Yogapraxis an fühlte sie sich angesprochen von dem dem Yoga zugrundeliegenden Geist: dem Weg zur Freiheit (kaivalya-pada), der Gewaltlosigkeit (ahimsa), der Selbsterkenntnis durch Selbstbeobachtung (svadyaya) und der Wahrhaftigkeit (satya).
Es inspirierte sie, sich auf den Weg zu machen und dabei immer offen zu bleiben für verschiedene Yogatraditionen.

 

Dies führte sie bereits in den 70er Jahren zu ganz unterschiedlichen Yogalehrern in Indien und Nepal.
Zurück in Deutschland nach einem Jahr in Asien war es dann eine echte Herausforderung, die im Osten gemachten Erfahrungen praktisch umzusetzen. Sie suchte im Westen weiter nach Anregungen und studierte mit vielen namhaften, in Europa lehrenden "Yoga-Meister*innen" und setzte sich mit verschiedenen Richtungen westlicher Körperarbeit und humanistischer Psychologie auseinander: u.a. Tanz, Eutonie, Gestalttherapie, Sensory Awareness, Feldenkrais.

Aber auch die offene und kritische Atmosphäre der Universitätsstadt Tübingen hat ihren Weg während ihres Studiums der Sozial- und Verhaltenswissenschaften bis heute nachhaltig beeinflusst. Als "Kind der 68er" erlebte sie die kritische Auseinandersetzung mit allem Bestehenden, besonders mit Autoritäten. Nichts wurde unhinterfragt hingenommen, weder Lehrsätze noch Glaubenspostulate, alles wurde neu erforscht und auf seinen Bestand hin geprüft. Das galt bei Ingrid Wiltschek auch für den Yoga und es ist bis heute so geblieben.

Ihr Lebensweg hat ihren Yogastil geprägt und wird ihn auch weiterhin beeinflussen. Er ist gekennzeichnet durch:

 

  • einen bewussten und achtsamen Umgang mit sich selber
  • ein respektvolles Miteinander während der Yogapraxis
  • individuelle, an den Bedürfnissen der Teilnehmenden orientierte Gestaltung und Ausführung von Asana und Pranayama
  • detaillierte Vorbereitung und Variabilität der Asana
  • das Zusammenspiel von kraftvoller, fließender Bewegung mit dem spürsamen Innehalten und Still-Werden
  • Lebenslust, Freude und Humor.

 

Ingrid Wiltschek schloss ihre Rede mit einem Spruch des Zen-Meisters Basho:

"Sucht nicht nach den Spuren der Alten,
sucht nach dem, was die Alten suchten."


Darin sieht sie ihre Lebensaufgabe: die Menschen, die zu ihr in den Yogaunterricht und die Ausbildung kommen zu ermutigen, ihre eigene für sie stimmige Yogapraxis zu entwickeln und auf ihrem eigenen Weg weiterzugehen.

Helga Hoenen

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